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Arbeitszeitunterbrechung im Linienbusverkehr

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Vorab festgelegte und geplante Arbeitszeitunterbrechungen im Linienbusverkehr sind keine Wartezeiten.

Dies entschied jetzt das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg für den Manteltarifvertrag Privater Kraftomnibusverkehr in Baden. Nach § 8.2 Unterpunkt 3 des MTV sind „Arbeitsbereitschafts- und Wartezeiten bis zur Dauer von 3 Stunden je Arbeitsschicht“ mit 100 % des Stundenlohnes zu vergüten. § 5.2 MTV definiert Wartezeit als die Zeit, die während der Arbeitsschicht anfällt, wenn der Arbeitnehmer von jeder beruflichen Tätigkeit freigestellt ist und über seine Zeit frei verfügen kann.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Arbeitsgerichte ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt.

Die hier geltend gemachten Zeiten erfüllen nicht den Begriff der „Arbeitsbereitschaft“. Unabhängig davon, dass auch dieser wie die Wartezeit in § 5.1 MTV für den Gelegenheitsverkehr und nicht für den Linienverkehr definiert ist, besteht über die Begriffsbestimmung zumindest dahingehend kein Streit, dass während einer Arbeitsbereitschaft der Arbeitnehmer nicht frei über seine Zeit verfügen kann. Denn nach der vergütungsrechtlichen Definition ist Arbeitsbereitschaft die „Zeit wacher Aufmerksamkeit im Zustand der Entspannung“. Dass er sich in diesem Sinne für den jederzeitigen Arbeitseinsatz während der streitgegenständlichen Zeiten bereithalten müsse, hat der Kläger selbst nicht behauptet. Vielmehr kann er – abgesehen von der eventuellen geographischen Abgeschiedenheit des Platzes an dem er sich aufhält – zu im Voraus genannten Zeiten machen, was er will, also z.B. spazieren gehen, lesen, Kaffee trinken, ggf. im Internet surfen oder schlafen.

Demgemäß kommt es nur darauf an, ob die streitgegenständlichen Zeiten „Wartezeiten“ im Sinne des § 8.2 Unterpunkt 3 MTV sind. Das ist letztendlich zu verneinen.

Die in § 5.2 MTV zu findende Definition der Wartezeit bezieht sich ausweislich der Überschrift „Begriffsbestimmungen im Gelegenheitsverkehr“ nicht auf den Linienverkehr und kann deshalb dort nicht verwendet werden.

Eine Analogie des § 5.2 MTV kommt nicht in Betracht, weil nicht von einer unbewussten Regelungslücke ausgegangen werden kann. Dass die Tarifvertragsparteien die Wartezeit ausdrücklich nur im Gelegenheitsverkehr, nicht aber im Linienverkehr definiert haben, zeigt, dass sie die Problematik der Wartezeit erkannt haben und spricht dafür, dass sie davon ausgingen, dieser Begriff sei nur für den Gelegenheitsverkehr einschlägig. Insoweit trifft das zitierte Urteil entgegen der Auffassung des Klägers sehr wohl auch den vorliegenden Fall, weil es sich hier ausdrücklich nicht auf § 8.2 Unterpunkt 2 sondern Unterpunkt 3 MTV bezieht.

Damit stellt sich die Frage, ob im Rahmen des § 8.2 Unterpunkt 3 MTV von einem anderen Begriff der „Wartezeit“ für den Linienverkehr auszugehen ist oder ob die Tarifvertragsparteien dies ausschließen wollten. Der Wortlaut des § 8.2 Unterpunkt 3 MTV spricht für sich allein betrachtet, dafür, dass eine Wartezeit auch im Linienverkehr gegeben sein kann. Allerdings wird der Begriff nur in § 5.2 MTV beim Gelegenheitsverkehr definiert. Zu Recht hat das LAG Baden-Württemberg ausgeführt, dass den Tarifvertragsparteien klar gewesen sein muss, dass sich die Lenkzeiten im Linienverkehr wegen des einzuhaltenden Takts und der zeitlichen Lage der zu bedienenden Kurse nicht nahtlos aneinanderfügen. Die Kammer schließt sich der Argumentation des LAG auch dahingehend an, dass die Vorgehensweise der Tarifvertragsparteien, die Wartezeit ausdrücklich nur im Gelegenheitsverkehr zu definieren aber im Linienverkehr zu verschweigen, grundsätzlich nur bedeuten kann, dass die Spreizung des Arbeitstages im Linienverkehr auf Grund dieser Sachlage in Kauf genommen wurde, soweit dies betrieblich im Sinne des § 6.3 MTV erforderlich ist. Das bedeutet aber, dass es im Linienverkehr grundsätzlich keine vergütungspflichtige Wartezeit geben kann, was auch letztlich der Auffassung des Verbandes B. O. e.V. entspricht. Die betriebliche Erforderlichkeit im Sinne des § 6.3 MTV hat der Kläger nicht in Frage gestellt.

Dass § 6.1 MTV „Wartezeiten“ erwähnt, beeinträchtigt die dargestellte Sichtweise nicht, da die Vorschrift schließlich auch im Gelegenheitsverkehr gilt.

Allerdings zeigt § 5.4 MTV, dass die Auffassung der abschließenden Definition Mängel in sich birgt. Denn dort werden Pausen definiert. Dass es jedoch wegen einer abschließend definierten Pausenregelung im Linienverkehr keine Pausen geben kann, will auch die Beklagte nicht behaupten.

Dennoch ergibt sich aus dem tarifvertraglichen Gesamtzusammenhang, dass die Tarifvertragsparteien in § 8.2 Unterpunkt 3 MTV nur einen Vergütungsanspruch für die Wartezeiten im Gelegenheitsverkehr regeln wollten:

Beide der in § 8.2 Unterpunkt 3 MTV gemeinsam erwähnten Begriffe „Arbeitsbereitschafts- und Wartezeiten“ sind nicht nur unter der Überschrift „Begriffsbestimmungen im Gelegenheitsverkehr“ in § 5.1 und § 5.2 MTV als Definition zu finden, sondern auch gemeinsam in der gleichen Reihenfolge in § 3.6 MTV, der bestimmt, dass „Arbeitszeiten im Gelegenheitsverkehr“ u.a. „Arbeitsbereitschaft und Wartezeiten bis zu 3 Stunden je Arbeitsschicht“ sind. An genau diese „Arbeitsbereitschafts- und Wartezeiten bis zur Dauer von 3 Stunden je Arbeitstag“ knüpft § 8.2 Unterpunkt 3 MTV an und gewährt für sie einen Anspruch auf 100% des Stundenlohnes. Das zeigt, dass die Tarifvertragsparteien die Vergütungsregelung (100% des Stundenlohnes) deshalb getroffen haben, weil sie die genannten Zeiten zuvor in § 3.6 Unterpunkt 2 MTV als „Arbeitszeit“ definiert haben. Deshalb hatten sie auch Anlass, in § 8.3 Unterpunkt MTV die „Arbeitsbereitschafts- und Wartezeiten, die 3 Stunden je Arbeitsschicht überschreiten“ nur mit 50 % des Stundenlohnes zu vergüten. Schließlich sind diese Zeiten ja keine Arbeitszeiten im Sinne des § 3.6 Unterpunkt 2 MTV. Hinzu kommt, dass § 8.1 MTV ausdrücklich regelt, dass nur die „tatsächliche Arbeit“ bezahlt wird, „soweit in diesem Tarifvertrag nichts anderes bestimmt ist.“ Im vorliegenden Fall geht es jedoch um im Voraus feststehende Zeiten, in denen der Kläger machen konnte, was er wollte.

Deshalb kommt es auf eine allgemeine Definition der Wartezeit vorliegend auch nicht an.

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 23.10.1991 musste sich mit der vorliegenden Problematik nicht befassen, weil kein Vortrag der Parteien aus dem Tatbestand ersichtlich ist, dass sich die Parteien darüber gestritten hätten, ob die tarifliche Vergütungsregelung der Wartezeit nur für den Gelegenheitsverkehr gelten soll. Selbst wenn man jedoch annehmen will, dass auch im Linienverkehr nach § 8.2 Unterpunkt 3 MTV vergütungspflichtige Wartezeiten entstehen können und zudem mit dem Kläger unterstellt, dass eine Wartezeit keine Wartepflicht erfordert, ergibt sich für den Kläger kein anderes Ergebnis: Das Bundesarbeitsgericht hat in der zitierten Entscheidung deutlich darauf hingewiesen, dass eine vergütungspflichtige Wartezeit nicht vorliegt, wenn der Arbeitgeber die Arbeitsunterbrechung wirksam im Voraus als Pause festgelegt hat. Genau das ist jedoch im vorliegenden Fall geschehen: Die Beklagte hat die streitgegenständlichen Unterbrechungszeiten in den Dienstplänen und damit im Voraus nach eigenem Vortrag des Klägers als Pausen ausgewiesen und auch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG beachtet.

Landesarbeitsgericht Baden -Württemberg, Urteil vom 31. Januar 2013 – 16 Sa 129/12


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